Aktivitäten

von Shambhala e.V.

Sandmandala

Es war schon später Nachmittag, als unser Bus die steinige Straße entlang rumpelte und nach der nächsten Kurve das Dorf Reru in Sicht kam. Einige hundert Meter noch und wir hatten unser Ziel, das Schulprojekt Jamyang Ling erreicht. Etwas steif von der langen Reise stiegen wir aus dem Bus, staunten über die lange Reihe von Schulkindern, die mit Blumensträußen in den Händen ein Spalier bildeten um uns willkommen zu heißen. Viele Kataks, die weißen Schals, wurden um unseren Hals gelegt und dann schließlich standen Gyalik, der Chairman der Schule und Tsering Tsangpo, der Schulleiter mit all den anderen Lehrern vor uns und begrüßten uns mit einem lachenden „Juleys”.

Den letzten Katak bekamen wir vom Head Lama Thubten Thinley aus Dharamsala; seit 2 Wochen waren er und 3 weitere Lamas bereits hier, um ein Avalokiteshvara Mandala vorzubereiten, an dessen Ausführung unsere Gruppe teilhaben konnte und dessen Fertigstellung am letzten Tag unseres Aufenthalts geplant war.

Nach einem Willkommenstee schnappten sich die größeren Schüler unsere Rucksäcke und wir stiegen den kurzen, aber steilen Weg durch Geröll hoch zum See. Wir waren völlig überrascht vom Anblick der vielen Zelte, des großen Versammlungszeltes und der bunten buddhistischen Fahne, die auf der Zeltspitze flatterte. Amchi Lotos, ein alter Freund aus Manali, der schon viele unserer Reisen begleitet hatte und uns immer wunderbar bekocht hatte, hatte einen kleinen Imbiss vorbereitet und wir genossen den Ausblick auf die Schneeberge und das Landschaftspanorama. In den folgenden Tagen besuchten wir mehrmals die Schule, gingen in die Klassenzimmer, redeten mit Lehrern und Schülern und schauten immer wieder im Hostel vorbei, weil wir kaum glauben konnten, auf welche Art und Weise hier 68 Kinder rund um die Uhr liebevoll betreut werden.

Ein Höhepunkt war das jährliche Schulfest, dass für uns auf den 11. August verlegt worden war; am Morgen zogen alle 127 Schüler, die Lehrer, unsere 4 Lamas und weitere 11 Mönche vom Kloster Mune auf den Hügel gegenüber der Schule, wo wir bei dem Stupa neue Flaggenmasten aufstellten, die Mönche Gebete sprachen und wir alle zum Schluss Reiskörner in die Luft warfen für Glück und Gesundheit und eine gute weitere Entwicklung des Schulprojekts.

In einer langen Prozession erreichten wir die Schule, und nach einiger Zeit begannen die Vorführungen und Wettkämpfe der Kinder. Alles war von den Lehrern und älteren Schülern gut vorbereitet und wir hatten eine Menge Spaß.

Dieser Tag war auch ein freier Tag für die 4 Lamas, die am Tag nach unserer Ankunft in einer feierlichen Zeremonie mit dem Sandmandala des Avalokiteshvara begonnen hatten; morgens und nachmittags saßen wir im oberen Raum des alten Schulgebäudes, der extra winddicht hergerichtet worden war und dessen Nebenraum mit schönen Teppichen und Sitzkissen für hohe Gäste eingerichtet war. Hier wurden die Farben im Mörser zerrieben, und die Mönche konnten sich hierher zurückziehen und eine Pause einlegen oder Tee trinken.

An einem Nachmittag erklärte Thupten Thinley Lama die Bedingungen und Voraussetzungen für dieses Mandala; es wurde uns allen klar, dass es eine sehr wertvolle und einzigartige Gelegenheit für uns alle war, täglich der Fertigstellung des Mandalas zuzuschauen und es für alle Anwesenden, für die Schule, das Dorf Reru und für ganz Zanskar eine wertvolle Bereicherung ist. Noch nie war in dieser Region ein so aufwendiges Mandala erstellt worden!

Jeden Tag war das metallene Geräusch zu hören, wenn auf dem schmalen, mit feinem Sand gefülltem Trichter ein metallenes Gegenstück schrappte, um den Sand aus der feinen Spitze rieseln zu lassen. Millimeter für Millimeter wurde das mit Bleistift vorgezeichnete Mandala ausgefüllt. Alle Lamas trugen bei Ihrer Arbeit einen Mundschutz, arbeiteten hochkonzentriert und meist war es bis auf das metallene Geräusch sehr still in dem Raum.

Am Abend des Schulfests traf Stefan Laug, der viel Erfahrung in Erdheilungs-Zeremonien hat, seine Vorbereitungen für einen Lichtkreis, der aus 108 Butterlampen bestehend die ganze Nacht brennen sollte. Bei dem heftigen Wind kein leichtes Unterfangen; etliche Mitglieder der Gruppe halfen, kleine Stein-Kreise um die Lichter zu bauen. Es war ein sehr kraftvoller Moment, als alle 108 Lichter im Kreis brannten.

Am letzten Tag unseres Aufenthalts in Reru war das Mandala fertig und Thupten Thinley Lama leitete die Abschlusszeremonie; wir hatten als Gruppe anschließend die Gelegenheit, ihm Fragen zum Mandala zu stellen. Zum Schluss sagte er noch, dass das Mandala nicht wie üblich wieder aufgelöst und der Sand dem Fluss übergeben wird, sondern alles in dem gut verschlossenen Raum aufbewahrt wird, damit die Bevölkerung des Zanskar-Tals Gelegenheit hat, in den kommenden Wochen dieses außergewöhnliche Mandala zu schauen.In einer Fragestunde erklärte uns Thupten Thinley Lama die Symbole und Farben des Mandalas: alles dient dazu, uns eine Vorstellung von der Bewegung des Bewusstseins in Zeit und Raum zu geben.

Uns wurde klar, dass die Mandalatechnik eine komplizierte und ausgefeilte Technik ist, uns unseren eigenen Geist in Form einer „Landkarte” anschaulich zu machen. Es hat in der buddhistischen Tradition Tausende von Jahren gebraucht, um all die Meditationserfahrungen zu sammeln, sie bildhaft darzustellen und die Symbole zu schaffen, die diese Meditationserfahrungen darstellen. Die Farben, die im Mandala verwendet werden, sind den verschiedenen Dhyani Buddhas zugeordnet, die in den Farben Blau, Gelb, Weiß, Rot und Grün dargestellt sind; sie symbolisieren das Erfahrungsspektrum unseres menschlichen Lebens zeitlich und räumlich aufeinandertreffend in Form dieses Mandalas.

Mit einer Zeremonie und Meditation wurde die Fertigstellung des Mandalas gewürdigt; anschließend gab es Tee und Gebäck für die Lamas und unsere Gruppe.

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